Ist Glaube Privatsache?

Würden Sie auf die Frage, ob Sie an Gott glauben, mit «Ich glaube, dass es etwas Höheres gibt» antworten? Oder: «Ich glaube an eine universelle Kraft»? Glaube ist heutzutage in unseren Kreisen Privatsache. Wie die Frage nach dem Lohn. «Wie viel verdienst du?» wird in der Regel unverbindlich beantwortet mit «genug, um zu leben» oder «weniger als Elon Musk». Warum trauen wir uns nicht zu sagen: «Ja, ich glaube an Gott»? Ist daran etwas verwerflich? Warum weichen wir aus und sagen verklausuliert, dass wir «an etwas Höheres, an eine universelle Kraft, an XY» glauben? Schämen wir uns, diese Kraft mit «Gott» zu benennen?

Es gibt Gegenbeispiele. In gewissen kirchlichen Milieus ist es durchaus üblich, zu bezeugen: «Jesus ist mein bester Freund!» Oder: «Ich liebe Jesus!». Das ist sinngemäss die 2. Kommastelle zur Auskunft nach dem Lohn.

Es stellt sich die Frage, wie viel wir von unserem Glauben öffentlich preisgeben möchten. Was ist privat? Was dürfen Menschen in unserem Umfeld von unserem Glauben wissen? Ist unser Glaube Teil der Intimsphäre?

Was auf der einen Seite als zu viel empfunden werden kann, kann auf der anderen Seite fehlen. Wäre es nicht gerade in diesen Tagen, in einer Zeit, in der sich Kulturen, Mentalitäten und Sozialisierungen zunehmend vermengen, wichtig, einzustehen für das, was 2000 Jahre Christentum hervorgebracht haben? Was 2000 Jahre lang Bestand hatte? Wäre es nicht wichtig, einzustehen für die Errungenschaften unserer Zivilisation? Wäre es nicht wichtig, eine auf christlichen Werten beruhende Verfassung und eine rechtliche Grundordnung zu schätzen, welche Opfer schützt und Täter mit Augenmass behandelt? Einzustehen für die Grundlage einer Gesellschaft, die für die Stärkeren wie für die Schwächeren Lebensbedingungen erschafft, die Gemeinschaft ermöglichen?

Das Gutheissen und das selbstverständliche Übernehmen christlicher, sogenannt «zivilisierter» Werte ist das eine. Das andere ist, sich an den Urheber dieser Werte zu erinnern. Die zehn Gebote des alten und die Frohe Botschaft des neuen Testaments legen die Grundsteine für ein gewaltfreies Zusammenleben. Sie sind ein Appell, einander in Liebe und Friedfertigkeit zu begegnen. Kaum jemand wird diese Werte hinterfragen. Warum fällt es dann so schwer, den Schöpfer dieser Weisheiten und Botschaften zu benennen? Was passt daran nicht mehr in die heutige Zeit? Was widerspricht dem Zeitgeist?

Ich wünsche mir, dass wir als Christinnen und Christen wieder den Mut finden, uns zu zeigen. Nicht in frömmlerischem Lametta-Glitzer, sondern als aufgeschlossene Menschen, die hier und jetzt leben. Menschen des Jahres 2024. Menschen, die sich der eigenen Verantwortung und der eigenen Wirkungskraft bewusst sind und dennoch davon ausgehen, dass sie nicht die am höchsten entwickelte Spezies, die oberste Instanz oder die personifizierte Erkenntnis sind. Als Menschen, die sich ihrer eigenen Unzulänglichkeit und Unvollkommenheit bewusst sind und daran glauben, dass es eine Kraft gibt, die über uns Menschen steht. Ich wünsche mir zivilisierte, mündige, kompetente Menschen, die den Mut finden, sich einzugestehen, dass sie einer göttliche Kraft vertrauen, aus der sie für ihr Leben Zuversicht schöpfen – als Quelle ihres Wirkens und ihres Beitrags zum Guten in der Welt. Menschen, die ohne Scham und aus Überzeugung sagen: «Ja, selbstverständlich glaube ich an Gott». An Gott, und an das, was wir im Glaubensbekenntnis bezeugen.


19. Februar 2024 | Dani Schranz ›