(Keine) Zeit für Urlaub?

Die Sommerferienzeit steht unmittelbar bevor. Vieles haben wir in den letzten Monaten geleistet, geschafft und erledigt oder in die Wege geleitet. Wir sind nun ferienreif und wollen für zwei oder drei Wochen all die E-Mails, Deadlines und To-dos vergessen, sie alle sozusagen in eine Zeitkapsel vorübergehend einsperren. Zeit für Urlaub?
Ja, gäbe es doch nicht jenes Phänomen, das mit dem Begriff Holiday guilt beschrieben wird. Damit ist jenes ungute Gefühl gemeint, das manche Menschen beschleicht, wenn sie in der verdienten und gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubszeit von den beruflichen Verpflichtungen abschalten und die freie Zeit einfach geniessen wollen. Und mag die Feriendestination noch so weit entfernt sein, die Schuldgefühle ob des Abstandes vom Arbeitsplatz, des «Nichts-Tuns» und des «Nichts-Leistens» schaffen es immer wieder, sich in die Gedankenwelt vieler Menschen einzuschleichen. Und so landet man gedanklich wieder an jenem Ort, von dem man sich eigentlich für eine Weile distanzieren wollte: am Arbeitsplatz.
Die Gründe für dieses Urlaubs-Schuldgefühl können viele sein. Etwa ein falsches Verantwortungsbewusstsein, übertriebener Perfektionismus oder einfach die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, weil man für eine bestimmte Zeit untätig, weg vom Fenster ist. Und hinzukommt noch, dass, wer einen übervollen Terminkalender hat und viele Überstunden macht, nicht selten als Arbeitstier, als besonders belastbar und generell als Workaholic bewundert wird oder sich als solcher bewundern lässt. Also doch keine Zeit für Urlaub?
In der Bibel kommt das Wort Urlaub zwar nicht ein einziges Mal vor. Die Bibel spricht aber über etwas, das sich zunächst mit einem Begriff aus der modernen Berufswelt umschreiben liesse: Zeitmanagement. Im Buch Prediger 3, 1-2 lesen wir nämlich: «Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreissen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit.»
Hier geht es aber nur auf den ersten Blick um das, was wir mit Zeitmanagement meinen. Denn im Unterschied zu unserem berufs- und leistungsbedingten Zeitverständnis, welches die Zeit als etwas von uns Unabhängiges in den Fokus stellt und entsprechend vom Zeitmangel, Zeitverlust oder Zeitgewinn spricht, stellt das biblische Zeitverständnis nicht die Zeit, sondern den Menschen in den Mittelpunkt. Es ist der Mensch, der sich die Zeit nehmen, sie sich zunutze machen soll. Es ist der Mensch, der bewusst einen bestimmten Zeitverlauf unterbricht, ja unterbrechen muss. Die Unterbrechung von anstrengenden Tätigkeiten und Arbeitsruhe gehören nämlich zu einem der ersten Schöpfungswerke Gottes:
«Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte», heisst es im biblischen Schöpfungsbericht im Buch Genesis 2,2. Und es ist nicht zuletzt auch Jesus selbst, der nach Ruhe und Erholung sucht: «Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!», lesen wir in Markus 6, 31.
Zur Ruhe kommen, den Alltag unterbrechen, sich erholen – in der Bibel ist dies nicht bloss eine Empfehlung. Es ist ein Schöpfungswerk und letztendlich auch ein Gebot Gottes, sich die Zeit zu nehmen für alles, was man tut. Gott nimmt sich Zeit für das Erschaffen und für das Ausruhen. Er erschafft selbst die Zeit und schenkt sie uns. Das hat mit dem modernen Zeitmanagement, in dem uns die Zeit entweder ununterbrochen im Nacken sitzt oder davonrennt, nichts zu tun. Im biblischen Zeitverständnis steht der Mensch im Mittelpunkt. Ein Selbstmanagement anstelle eines Zeitmanagements.
Ja, es ist Zeit für den Urlaub. Wo und wie lange auch immer Sie ihn verbringen – nehmen Sie sich bewusst Zeit dafür.
Schöne und erholsame Ferientage!
Dr. Samuel Behloul
23. Juni 2025 | Dr. Samuel Behloul