Christi Himmelfahrt – Aufwertung des Lebens

Himmelfahrt ist nicht gerade das, was uns jeden Tag beschäftigt. Wir erfahren normalerweise unser Leben als irdische Existenz in dieser Welt. Für uns Menschen ist die Erde der eigentliche Ort des Lebens. Hier haben wir unsere Aufgaben, hier wollen wir uns bewähren und unsere Hoffnungen und Träume verwirklichen. Hier erfahren wir unsere Freuden und Nöten. Hier ist unser Leben eingebettet in die Grenzen von Raum und Zeit. Mit der Geburt haben wir das Licht der Welt erblickt und von diesem Tag an zählen wir unsere Lebensjahre bis zu jenem Tag, an dem für uns das Licht dieser Welt endgültig wieder erlischt. Zwischen diesen beiden Tagen, zwischen Geburt und Tod, spielt sich unser Leben ab. Hier hackt nun der Glaube ein und öffnet uns eine ganz andere Perspektive.
Der Glaube an die Himmelfahrt sagt uns, dass unser kleines Leben gar nicht so klein ist, sondern eine viel grössere Dimension hat als nur die irdische Dauer von einigen Jahrzehnten. Himmelfahrt gibt uns die Hoffnung, dass wir einmal die Grenzen von Raum und Zeit übersteigen dürfen, um ihn Gott das eigentliche Leben zu finden.
«Die Welt ist eine Nummer zu klein geraten, um die unendliche Sehnsucht eines Menschen stillen zu können.»
Sind diese Worte des Dichters Kurt Tucholsky nicht die kürzeste Umschreibung dessen, was wir am Fest Christi Himmelfahrt feiern? Mit diesem Feiertag enden die in den Evangelien geschilderten 40 Tage der Erscheinungen des Auferstandenen, endet das irdische Leben Jesu auf dieser Welt. Jesus nimmt Abschied von seinen Aposteln und kehrt heim zu seinem Vater. Im ersten Moment müsste uns dies mit Trauer erfüllen. Jesus verlässt die Welt und wir Menschen sind wieder allein. Eine solche gefühlsmässige Reaktion wäre verständlich, ist aber falsch. So paradox es auch klingt: Himmelfahrt bedeutet nicht Abschied. Ganz im Gegenteil. Himmelfahrt bedeutet grössere Nähe Jesu zu uns Menschen. Wie verstehe ich das? Als Jesus auf der Welt lebte, gehörte er einem bestimmten Volke an. Er lebte in einem bestimmten Land, und sein Leben erstreckte sich über wenige 33 Jahre. Die grosse Welt wurde von Leben Jesu nicht berührt. Dem Leben Jesu waren damit enge Grenzen gezogen. Diese Grenzen aber sind in seinem Sterben gefallen. Durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt gehört Jesus nicht mehr nur einem Volke an, er lebt auch nicht mehr nur in einem Land, sein Leben ist auch nicht mehr eingeengt in historisch fassbare 33 Jahre.
Jesus ist eingegangen in die Unbegrenztheit und Unendlichkeit Gottes. So ist er nun in Gott über alle Grenzen hinweg mit uns verbunden, wie er selber uns versprochen hat: Ich bleibe bei euch, alle Tage bis ans Ende der Welt (Mt 28, 20).
Christi Himmelfahrt ist das grosse Finale im Leben Jesu von Nazareth. Was ganz schlicht und einfach begonnen hat, was in den Augen der Menschen sogar in einem Fiasko geendet hat, findet eine Erfüllung in der Wirklichkeit Gottes. Als Christinnen und Christen sind wir am Fest Christi Himmelfahrt nicht einfach Zuschauende, sondern im buchstäblichen Sinne Mitbeteiligte und Mitbetroffene. Gott ist in Jesus Christus unser Mitmensch geworden, um mit uns den irdischen Lebensweg zu gehen, damit auch wir einmal mit ihm den Weg der Auferstehung und der Himmelfahrt gehen dürfen.
Wo ist uns Menschen eine grössere Hoffnung gegeben als hier?
Ana Behloul, Pfarreiseelsorgerin