Für Wunder muss man beten – für Veränderungen aber arbeiten

«Menschen stehen plötzlich vor der Situation, dass sie den nächsten Monat nicht mehr finanzieren können.» Sarah Lohr, Standortleiterin des Kirchlich Regionalen Sozialdiensts in Aarau
Diese Aussage des Dominikanermönchs Thomas von Aquin aus dem 13. Jahrhundert steht im Vorwort des Jahresberichts 2024 des Kirchlich Regionalen Sozialdienstes Aarau (KRSD). Sarah Lohr, Standortleiterin das KRSD in Aarau, beschreibt darin die wichtige Rolle des Dienstes, der vom Pastoralraum Region Aarau, der Römisch-Katholischen Landeskirche und der Caritas finanziert wird. Er bietet Unterstützung für Menschen, die an den Anforderungen der Selbstverantwortung scheitern. «So entstehen Räume, in denen Diakonie auf soziale Arbeit, Professionalität auf Menschlichkeit und Engagement auf soziokulturelle Bedarfe trifft», schreibt Lohr im Bericht.
Diese Räume können jedoch nur mit ausreichenden finanziellen Mitteln erhalten bleiben, denn der Bedarf steigt stetig. Allein in Aarau verzeichnete der KRSD im vergangenen Jahr 788 Beratungskontakte – ein Anstieg von 12 Prozent gegenüber 2023. Im gesamten Kanton nahmen 3568 Menschen die Dienste in Anspruch. Die niederschwellige Ausgestaltung des Hilfsangebots ermöglicht es, Notlagen rechtzeitig abzuwenden und präventiv zu handeln. Ohne diese Direkthilfe wären der Gesellschaft Kosten von über 450000 Franken entstanden, rechnet Sarah Lohr vor.
Besonders häufig suchen Menschen den KRSD auf, die an der Armutsgrenze leben, jedoch noch keinen Anspruch auf staatliche Sozialleistungen haben. Gleichzeitig belastet die allgemeine Teuerung besonders jene, die ohnehin schon wirtschaftlich gefährdet sind. Laut Caritas Schweiz sind mehr als 1,3 Millionen Menschen hierzulande von Armut betroffen oder bedroht. Besonders alarmierend: Rund 100000 von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
Ein zentraler Grund für die steigende Nachfrage beim KRSD ist die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt. «Die Sozialämter berechnen Wohnkosten oft noch nach veralteten Richtlinien, während die Mietpreise stetig steigen. Hinzu kommen explodierende Nebenkosten aufgrund hoher Energiepreise. Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper und ist härter umkämpft», erklärt Lohr. Besonders betroffen seien zunehmend auch Familien der unteren Mittelschicht.
Darüber hinaus geraten Menschen durch Schicksalsschläge plötzlich in Armut. «Eine prekäre finanzielle Lage beginnt nicht erst, wenn staatliche Leistungen greifen», so Lohr. Im Kanton Aargau erhalten nur jene Personen Sozialhilfe, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und deren Vermögen 1500 Franken nicht übersteigt. «Man muss sich das vorstellen: Menschen stehen plötzlich vor der Situation, dass sie den nächsten Monat nicht mehr finanzieren können. Sie kommen mit 3000 Franken Einkommen und 4500 Franken Fixkosten zu uns. Das verursacht enormen Stress.»
Zusätzlich gibt es Klientinnen und Klienten, die zwar Anspruch auf Sozialhilfe hätten, aber Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Behörden haben. In solchen Fällen vermittelt der KRSD. Laut Lohr nehmen ein Viertel der Berechtigten keine Sozialleistungen in Anspruch – meist aus Angst vor Stigmatisierung oder aus Scham. Besonders in kleineren Gemeinden spielt das soziale Umfeld eine Rolle: «Wenn die Sozialvorsteherin die Mutter eines Schulfreundes meines Kindes ist oder der Sozialamtsmitarbeiter mit meinem Mann in der Feuerwehr dient, wird es schwierig», veranschaulicht Lohr.
Trotz der Herausforderungen sieht die Leiterin des KRSD Aarau Sinn in ihrer Arbeit. Sie kann auf ein engagiertes Team zählen, das mit hoher intrinsischer Motivation tätig ist. Damit diese wertvolle Arbeit fortgeführt werden kann, dürfen die finanziellen Mittel jedoch nicht weiter sinken.
Die Leitung des Pastoralraums Region Aarau setzt sich dafür ein, dass es nicht so weit kommt.
Auf der Website des KRSD Aarau können auch Sie den Kirchlichen Sozialdienst mit einer Spende unterstützen.
28. Februar 2025 | Dani Schranz