Mehr als genug – Schöpfungszeit 2025: Nachdenken über das Zuviel und Zuwenig
In eucharistischen Feiern im Pastoralraum der Region Aarau wird das Brechen und Austeilen des Brotes mit dem von Huub Oosterhuis inspirierten Wort eingeleitet: „Möge das Teilen des Brotes und des Bechers die Herzen stärken, dass wir voller Hoffnung an einer Welt mitwirken, anders als sie jetzt ist, wo nicht mehr zweierlei Menschen sind, wo aber Brot und Recht und Liebe ist – genug für alle.“
Mehr als genug
Die diesjährige Schöpfungszeit, die am 1. September begonnen hat und bis zum 4. Oktober dauert, lädt mit dem Slogan „Mehr als genug“ eindringlich zu einem Nachdenken über das Genug an Nahrungsmitteln ein und betont dabei zwei Aspekte:
Der erste lenkt die Aufmerksamkeit auf die Überfülle an Essen, an Früchte- und Gemüsesorten, die wir das ganze über kaufen können, Fleisch in rauen Mengen, das einen miserablen ökologischen Fussabdruck hat, weggeworfene Lebensmittel. Foodwaste: Das grosse Thema. Zwischen Feld und Teller geht in der Schweiz ein Drittel der Lebensmittel verloren oder wird weggeworfen. Infos, Hintergründe, Tipps, wie es aussieht und wie anders gehen kann, finden sich auf www.oeku.ch.
Zur Überfülle gehören aber auch die Marktmacht der Lebensmittelkonzerne, die Spekulation mit Nahrungsmitteln, Menschenrechtsverletzungen im Zuge von deren Produktion und Beschaffung, die Interessen der Verpackungsindustrie und überhaupt der ungeheure Plunder, mit dem die reichen Länder Erde und Meere zumüllen – orchestriert durch eine ebenso skandalöse wie ideenlose Politik, die immerfort dieselben Interessen bedient und unsere Ohren mit ihren Lügen verstopft.
Der zweite Aspekt lautet lapidar: Es wäre tatsächlich genug für alle da. Das trifft auf Nahrung wie auch auf alles andere zu. Das unterstreicht den Skandal dessen, was theologisch als strukturelle Sünde bezeichnet wird, an deren Ursprung die diversen Eliten dieser Welt stehen.
Enzyklika „Laudato si“ – Der politische Einspruch
Insofern war das Erscheinen der umweltpolitischen Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus vor zehn Jahren ein Meilenstein, der auch ausserhalb der Kirche in den sozialen Bewegungen und NGOs als bahnbrechend erachtet wird. Sie thematisiert zugleich die grossen sozialen Verwerfungen und den skandalösen Reichtum als Teil des Problems. Ihre Rezeption in ein theologisch-politisches Handeln bis hinunter in die Pastoralräume und ein ganz neues Denken von Kirche und ihrer Sendung stehen noch an. Eine wichtige Herausforderung. Allein schon das Hinschauen und achtsames Wahrnehmen von Zusammenhängen ist wichtig. Papst Franziskus schreibt: „Ich möchte darauf hinweisen, dass man gewöhnlich keine klare Vorstellung von den Problemen hat, die besonders die Ausgeschlossenen heimsuchen. Sie sind der größte Teil des Planeten, Milliarden von Menschen. Heute kommen sie in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Debatten vor, doch oft scheint es, dass ihre Probleme gleichsam als ein Anhängsel angegangen werden, wie eine Frage, die man fast pflichtgemäß oder ganz am Rande anfügt, wenn man sie nicht als bloßen Kollateralschaden betrachtet. […] Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass viele Akademiker, Meinungsmacher, Medien- und Machtzentren weit von ihnen entfernt angesiedelt sind, in abgeschlossenen Stadtbereichen, ohne in direkten Kontakt mit ihren Problemen zu kommen. Sie leben und denken von der Annehmlichkeit einer Entwicklungsstufe und einer Lebensqualität aus, die für die Mehrheit der Weltbevölkerung unerreichbar sind. […] Wir kommen jedoch heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde“ (LS 49).
Schöpfungszeit
Katechese, verschiedenste Orte von Lernen und Austausch, liturgische Feiern und Menschen mit ihren Ideen und ihrer Präsenz werden im Pastoralraum ein ermutigendes Licht auf das „Mehr-als-genug“ der Schöpfungszeit 2025 werfen.
Peter Bernd
Foto: Kirche hat eine politische Sendung: Grosse Klimademo im September 2023 in Bern (P. Bernd)
Für Selbststudium, Unterricht, Gruppen: Bausteine zur Enzyklika “Laudato si”